Wir sitzen im Nachtbus von Dumai nach Medan, der Haupstadt der Provinz Sumatra Utara. Zwölf Stunden Fahrt liegen vor uns. Zwölf Stunden, in denen qualmende Indonesier vor uns, hinter uns und neben uns hocken. Zwölf Stunden, in denen der Fahrer den Bus bis zum Morgengrauen in ohrenbetäubender Lautstärke mit indonesischem Geträller beschallt. Zwölf Stunden Busfahren am Limit. Aber egal, manchmal muss man bereit sein Opfer zu bringen. Irgendwann am frühen Morgen gegen 05 Uhr erreichen wir unser Ziel. Völlig übermüdet und genervt, aber auch irgendwie glücklich dieses Kapitel nun hinter uns gelassen zu haben. Weit gefehlt, denn nach 20min Wartezeit steigen wir in den nächsten Bus nach Binjai und damit in den nächsten Nervenkrieg. 45min Fahrt in einem Bus, dessen Fahrer in Herrgottsfrühe auf vollster Lautstärke Techno aufdreht. Irgendwie überstehen wir auch diese Fahrt und erreichen Binjai, eine mittelgroße Stadt am Rande Medans. Dort angekommen steigen wir in eine Rikscha, deren Fahrer uns zu einem Minibus fährt, mit dem wir dann zu unserem endgültigen Ziel aufbrechen: Bukit Lawang.
Bukit Lawang gilt als Ausgangspunkt für Wanderungen durch den angrenzenden Nationalpark Gunung Leuser, der mit über 9.000 km² das größte Naturschutzgebiet Indonesiens darstellt. Gemeinsam mit Borneo finden sich dort die letzten wild lebenden Orang Utans der Welt. Im Regenwald leben zudem stark bedrohte Tierarten wie Tiger, Nashörner oder der asiatische Elefant.
Es ist früh am Morgen des 18.08.2019 als wir unsere sieben Sachen packen und Bukit Lawang verlassen, um den dichten Dschungel Sumatras zu erkunden. Vorbei an Kautschukplantagen erreichen wir nach etwa 30min den Regenwald. Es herrscht feucht-heißes Klima, die Landschaft ist bergig und immer wieder kreuzen Tiere unseren Weg. Von Ameisen, die der Größe eines kleinen Fingers entsprechen bis hin zu sämtlichen Affenarten. Je tiefer wir in den Dschungel vordringen, desto mehr bekommen wir zu Gesicht. Vorab wurde uns von Einheimischen mitgeteilt, dass wir mit Glück auf einige, wenige Orang Utans treffen könnten. Unser Glück wird sich mehrfach multiplizieren. Sage und schreibe 27 wild lebende Orang Utans werden es am Ende sein. Wir erblicken so viele Menschenaffen, dass sich zwischenzeitlich so etwas wie Gleichgültigkeit beim Anblick eines Neuen einstellt. “Shame on me” denke ich mir bereits während des Trips, denn diese wunderbaren Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, haben alles andere als Gleichgültigkeit verdient. Nur ein ganz geringer Teil der Menschheit wird in seinem Leben je einen wilden Orang Utan mit eigenen Augen erblicken können, geschweige denn 27 von Ihnen. Im Nachhinein betrachtet gehört vor allem ein Moment zu den – mit großem Abstand – schönsten Momenten unseres Lebens: Am zweiten Tag – wir verbrachten die Nacht im Zelt – klettert eine Mutter mit ihrem Jungen im Arm vom Baum, während ich beide fotografiere. Sie geht auf uns zu, greift zuerst nach Frankas Arm und riecht an ihm, um anschließend meine Hand zu fassen und so fest zuzudrücken, dass Blut aus einem meiner Fingernägel tritt. Aber das spielt in diesem Moment keine Rolle. Ich nutze diese wenigen Minuten, um ein wundervolles Foto vom Jungen im Arm der Mutter zu schießen. Nach einer weiteren Nacht im Zelt, entdecken wir am dritten Tag am Ufer eines Flusses einige etwa 2m große Komodore, die ich mit größter Sorgfalt und Vorsicht aus etwa einem halben Meter Entfernung fotografiere. Zudem erblicken wir wenige Stunden und einige Kilometer später ein Chamäleon – auch das ein wahres Highlight!
Drei spannende und zugleich anstrengende Tage im Dschungel Sumatras gehen zu Ende. Drei Tage, in denen wir uns mit unzähligen Plagegeistern wie Moskitos und Hornissen rumärgern mussten, aber auch drei Tage voller beeindruckender Begegnungen und dem starken Bedürfnis alles dafür zutun solche Naturschutzgebiete weiter zu erhalten statt sie zu roden. Es besteht eine konkrete Verbindung zwischen unserem Konsum (Stichwort Palmöl), des schier nicht enden wollenden Bevölkerungswachstums in Teilen Asiens und Afrikas und den Rodungen der Regenwaldgebiete. Ich habe schon mehrfach Begegnungen mit den Auswirkungen dieser Problematik gemacht. Insbesondere im Amazonas-Regenwald vor einigen Jahren sowie beim Anblick gigantischer Palmöl-Plantagen vergangenes Jahr auf Borneo.
Wer speziell für den Erhalt der Orang Utans etwas tun möchte, kann gerne das Rehabilitätszentrum in Bukit Lawang unterstützen. Dort werden verletzte oder in Gefangenschaft geratene Orang Utans wieder auf das Leben in der Wildnis vorbereitet und letztlich in selbige entlassen.
https://www.orangutans-sos.org/