Es ist früh am Morgen als wir unsere Rucksäcke packen und die Unterkunft in Antiqua verlassen. Mit einem Bus geht es ins etwa 10km entfernte Pastores, von wo aus wir vergeblich eine halbe Stunde lang versuchen weiter Richtung Acatenango zu gelangen. Plötzlich hält ein Pick Up neben uns, auf dessen Ladefläche 13 Einheimische zusammengepfercht, aber bester Laune sitzen. Wir schauen uns kurz ungläubig an, aber s̶̶e̶̶t̶̶z̶̶e̶̶n̶ quetschen uns schließlich dazu. 25km fahren wir eng an eng und in rasantem Tempo Richtung Vulkan, immer mit beiden Händen irgendwo am Fahrzeug, um nur nicht heraus zu fallen. 15 Menschen auf der Fläche von 2qm oder anders ausgedrückt: Zustände wie in der Massentierhaltung. Nach ca. 15min ist es geschafft, wir verabschieden uns von den Mitfahrern und beginnen unseren Aufstieg am Fuße des Vulkans.
Der Weg ist steil und rutschig. Wir kämpfen uns durch grobkörniges Vulkangestein, sinken immer wieder bis zu den Knöcheln ein. Hinzu kommt die Hitze, die im Laufe des Vormittags fast unerträglich wird. Wir verzichten bewusst auf Pausen, bleiben lediglich für einige Male kurz stehen um etwas zu trinken. Gegen 10 Uhr kommt uns ein Mann entgegen, weil ihn nach 1,5h Aufstieg die Kräfte verließen. Statt Demotivation überkommt uns allerdings Ehrgeiz, umso eher sind wir nun gewillt diesen Vulkan zu bezwingen.
Es wird immer steiler, die Luft dünner, Worte wechseln wir nur noch, wenn es nötig ist, da es zu viel Kraft kostet. Nach ein paar Stunden – noch immer ohne Pause – wird die Natur rauer. Wir lassen den Regenwald hinter uns und treffen auf eine riesige Landschaft großer Baumstumpfe, die wie verbrannt aussehen. Die Aussicht ist mystisch und wirkt surreal. Der Weg wird nun etwas flacher und schlängelt sich um den Berg. Unsere Schultern brennen vom Tragen der Rucksäcke und das Atmen fällt immer schwerer. Wir sind nun auf 3000m Höhe, knapp 1000 stehen uns noch bevor. Das erste Mal nach gut 3h Aufstieg machen wir für 3-4min eine Pause und treffen auf einen Hund, der sich entschließt uns zu zu begleiten, nachdem wir unsere Wasserrationen mit ihm teilen.
Die Landschaft wird immer karger, Bäume und Sträucher machen Platz für riesige Gesteinsbrocken und Lavasand. Auch die Steigung nimmt enorm zu, die Temperatur ab. Felix hängt inzwischen hinterher, immer wieder muss ich innehalten und auf ihn warten, aber auch meine Kräfte schwinden. Nach etwa 4h und 20min kommen wir am Basecamp an, das neben einem großen Krater liegt. Es ist menschenleer, das Ziel zum Greifen nah. Nur noch 400 Höhenmeter trennen uns vom Gipfel. Wir machen ein paar Fotos und nehmen das letzte und zugleich steilste und anstrengendste Stück in Angriff. Jeder Schritt gleicht einem Kraftakt; nach jedem dritten, vierten Schritt müssen wir kurz innehalten und tief einatmen.
Auf 3750m Höhe teilt mir Felix plötzlich mit, dass er am Ende seiner Kräfte sei und sich für eine halbe Stunde hinlegen muss. Ich überlege kurz, ob ich bei ihm bleiben soll, entscheide mich dann aber alleine weiter zu klettern. Inzwischen hat die Steigung einen Wert von über 40% angenommen – Wahnsinn! Nach etwa 30min erreiche ich eine Höhe von 3880m und erkenne einen kleinen Punkt unter mir, der sich in Bewegung setzt – Felix! Die letzten knapp 100m liegen vor mir, ich steige mit allen Vieren über große Gesteinsbrocken und sinke immer wieder im tiefen Vulkansand ein. Es ist abartig anstrengend und während ich stetig um Luft ringe, kommt mir der Gedanke ans Aufgeben. Ich erschrecke mich, ist es doch so gar nicht meine Art. Um kurz nach 14 Uhr, gut 5,5h nach dem Start passiere ich ein kleines Kreuz. Später erfahre ich, dass an dieser Stelle zwei Jahre zuvor eine Gruppe Wanderer ums Leben kam, nachdem sie von einem Schneesturm überrascht wurden. Es bleibt nicht bei einem Kreuz. 10min später stehe ich völlig erschöpft aber glücklich am Gipfel, während mein Blick zum gerade ausbrechenden Nachbarvulkan Fuego schweift – ein Moment, der sich tief in mein Gedächtnis brennt. Ich erwische mich dabei, wie ein, zwei Tränen mein Gesicht herunter kullern – Tränen des Glücks. Völlig alleine stehe ich auf dem Gipfel eines 4000m hohen Vulkanes. Unter mir nichts als Wolken – und Felix. 35min nach mir erreicht auch er das Ziel.